Kreide-Kohle-Zeichnungen, hier: "Gesichter", 68 x 97 cm
Drei Antikriegszeichnungen von Alfred Fuchs stehen in krassem Gegensatz zu der Idylle, die er in seinen beiden anderen Serien "Kinderleben" und "Landschaften, Städte und Dörfer" beschwört (Werke aus diesen Serien sind ebenfalls an der Akademie zu sehen). Der Stil und die Thematik dieser Abbildungen sind meilenweit entfernt von der heiteren Gelassenheit und Farbigkeit, die seine anderen Bilder auszeichnen. In „Immer dasselbe“ (1985), „Gesichter“ (1983) und „Ohne Titel“ dominiert die Farbe Schwarz. Sie zeigen ausgemergelte Gesichter mit Blicken, aus denen das Leben und die Freude gewichen sind. Gefangene in der Dunkelheit, die auf einem Bild den lockenden Schlüssel für ihre Zelle unerreichbar vor Augen haben. Oder, wie auf diesem Bild mit dem Titel "Gesichter", hilfreichen Menschen gegenüberstehen, die sie ebenfalls nicht erreichen können. Dabei wusste Alfred Fuchs (*1925 in Saarbrücken, Deutschland, †2003 in Prag, Tschechische Republik) ganz genau, was er dort zeichnete – aus persönlicher Erfahrung:  

Er wurde als zweites von drei Kindern eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter geboren. Im Oktober 1935 siedelte die Familie von Saarbrücken nach Prag über. Ihre Hoffnungen, dort dem Nazi-Terror zu entgehen, erfüllten sich nicht. Die Familie überlebte ihn zwar, wurde jedoch von den Erfahrungen der Flucht, gesellschaftlichen Ächtung, Trennung und Inhaftierung zutiefst geprägt. Die Spur der Großmutter väterlicherseits hatte sich in einem Vernichtungslager im Osten verloren. Im Sommer 1943 verhaftete die Gestapo Alfred Fuchs‘ älteren Bruder Wilhelm, der sich als Kurier in einer Widerstandsgruppe betätigt hatte (Gestapo = Geheime Staatspolizei, die so genannte „Politische Polizei“ zur Verfolgung von politischen Straftaten während der Zeit des Nationalsozialismus). Im Sommer des gleichen Jahres wurde Alfred als „Mischling“ in ein „Arbeitslager für arisch Versippte“ nahe dem Dorf Bystrice verschleppt. Kurz darauf wurde sein damals 55-jähriger Vater in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, entweder bereits Endstation oder Durchgangslager für tschechoslowakische Juden und Jüdinnen in die noch größeren Vernichtungslager. Trotz all dem Unglück geschah doch ein Wunder: Nach Kriegsende kehrten die Männer der Familie Fuchs nach Hause – nach Prag – zurück.

Alfred Fuchs‘ Kunst nimmt eindeutig Stellung gegen Krieg und Unterdrückung und ruft zur Menschlichkeit auf. Den Betrachter:innen nahe – wenn auch auf ganz andere Weise - gehen die Zeichnungen zum Thema „Mutter und Kind". Darin verarbeitet er die Sehnsucht nach einer unbeschwerten Kindheit ebenso wie den Verlust seiner kleinen Schwester Adele. Mit einem der Kindertransporte, mit denen jüdische Kinder 1938/1939 aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien ausreisen konnten, kam sie nach Schottland. Dort fand sie eine neue Heimat, blieb jedoch nach dem Krieg ihrer ursprünglichen Familie stets fremd. Sie hatte überlebt, aber die Familie Fuchs hatte ihre Tochter trotzdem verloren.

Alfred Fuchs kann der zeitgenössischen gegenständlichen Malerei zugeordnet werden, arbeitet aber auch mit Elementen der Impressionisten. Er stellte 1993 gemeinsam mit Jaroslav Vaček aus, einem befreundeten tschechischen Bildhauer, der ebenfalls mit mehreren Werken an der Akademie vertreten ist. Der Europäischen Akademie Otzenhausen blieb Fuchs stets verbunden, stiftete ihr 39 Bilder und ist seit 1998 ihr einziges Ehrenmitglied.

Bei uns ist das Buch „Unter der Kerze ist Schatten" von Dr. Sabine Graf über Alfred Fuchs‘ Leben erhältlich, das die Akademie im Jahre 2005 herausgab.