Gouache, 139 x 108 cm
Bereits in früheren Werken hat Middendorf Szenen aus dem Großstadtleben vor einem farbintensiven, bisweilen unheilvollen Hintergrund gemalt. "Handstand vor feuriger Stadtlandschaft" nimmt dieses Motiv wieder auf. Die grob skizzierte Zickzacklinie der Skyline einer großen Stadt nimmt den gesamten Hintergrund ein und wirkt durch die Dominanz von Schwarz in Kombination mit Rot lebensfeindlich. Scharf abgegrenzt zur Stadt als Sinnbild für eine brodelnde und glühende Welt setzt Middendorf in den Vordergrund eine unbekleidete menschliche Figur. Ihre Darstellung in abstrahierter Schemenhaftigkeit und die weiß-graue Farbgebung machen sie zu einem Wesen ohne Fleisch und Blut, das sich einerseits vom Hintergrund krass abhebt und andererseits doch zu ihm gehört. Viele Werke Middendorfs spiegeln seine Faszination für Bewegung und Spannung wider. Auch hier erzeugt der Kontrast der Farben und der Inhalte eine große Bildspannung. Vor der finster glühenden Stadt im Hintergrund gibt die helle Figur ihre eigene Antwort auf die Frage, wie man in einer solchen Stadt wohl leben könne. Sie geht in der Dunkelheit nicht unter, sondern nimmt selbstbewusst den gesamten Vordergrund ein in einer Pose, die unerwartet kommt – im Handstand. Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit dieser Geste mindert die Wucht der Bildatmosphäre, setzt sich gar über sie hinweg. "Handstand vor feuriger Stadtlandschaft" ist ein Ausdruck des Lebensgefühls von Middendorfs Generation. Die Maler der "Neuen Wilden" setzten dem urbanen Leben ein Denkmal. Die Stadt diente ihnen als Lebensraum und Inspirationsquelle, sie stand für unbändigen Lebenshunger, das Ausleben von Wünschen, die Suche nach Neuem und die Überwindung von Schranken.

Helmut Middendorf (*1953 in Dinklage, Deutschland) ist ein sehr erfolgreicher deutscher Künstler und studierte von 1973 bis 1979 an der Hochschule der Künste in Berlin bei Karl Horst Hödicke, der ebenfalls an der Europäischen Akademie Otzenhausen gezeigt wird. Er ist einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Wilden. Gerade Middendorf zeichnete sich durch große Experimentierfreude aus, die die Beschäftigung mit verschiedenen aktuellen künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten einschloss. Seine direkte Umgebung und eigene Erfahrungswelt inspirieren ihn zu seinen Bildern. Dazu gehören auch Bilderserien, die er in verschiedenen Farbkombinationen umsetzte – lebensbejahend, mit leuchtenden Farben und markanter Lichtführung. In späteren Arbeiten reduzierte er die Farbe, begann erneut zu experimentieren – auch mit neuen Themen - und malte Ende der 1980er Jahre die Serie der „Schwarzen Bilder“, wohl als Folge eines längeren künstlerischen Aufenthalts in New York (Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes).

Viel zu kurz gegriffen wäre es, Middendorf „nur“ als Maler zu sehen: Bereits als Student faszinierte ihn nicht nur die Malerei, sondern auch das Medium Film, dem er sich ebenso intensiv widmete. 1979 nahm Middendorf einen Lehrauftrag für Experimentalfilm an der Hochschule der Künste in Berlin wahr.