– 18.02.2022

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online-Seminar: Wem gehören die europäischen Werte? Russland und die EU – mehr als nur Meinungsverschiedenheiten?!

Das online-Seminar richtet sich an junge Erwachsene aus Russland und Deutschland.

Europäische Integration, Internationale Politik, Aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen,

Studierende und Graduierte,

Seit inzwischen über 10 Jahren führt die EAO gemeinsam mit dem Zentrum für Deutschland- und Europastudien (ZDES) der Universität Bielefeld und der Staatlichen Universität St. Petersburg sowie weiteren universitären Partnern in Deutschland (Universität Würzburg, Universität Koblenz-Landau, Hochschule Rhein-Waal Kleve) ein deutsch-russisches Begegnungsseminar für Studierende durch. Mit diesem fördert die Europäische Akademie Otzenhausen das gegenseitige Verständnis unter den Teilnehmer:innen für die unterschiedlichen Sichtweisen sowie die Situation im jeweils anderen Land. Hierbei werden vor allem Kennenlernprozesse initiiert, Vertrauen und Freundschaften aufgebaut und vertieft, Vorurteile abgebaut, Gemeinsamkeiten und Unterschiede samt ihren Gründen vermittelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Vermittlung von Werten. 
Diese Maßnahme zielte darauf ab, Russland und seine Kultur, Geschichte, Politik und Gesellschaft in seiner Vielfalt mit den unterschiedlichsten Facetten kennen und verstehen zu lernen. Daneben sollten die Beziehungen zwischen Deutschland/EU und Russland sowie aktuelle politische Entwicklungen in Hinblick auf diese Beziehungen diskutiert werden.
Neben den Inhalten stand die Förderung und Verbesserung der interkulturellen Kompetenzen der Teilnehmenden durch einen intensiven Austausch im Rahmen einer binationalen Jugendbegegnung im Vordergrund. Die Bildung von Netzwerken zwischen jungen Leuten aus Deutschland und Russland soll durch diese Maßnahme gefördert werden. Durch eine enge Zusammenarbeit ihr Interesse an dem jeweils anderen Land geweckt und vertieft werden. 
Um das Ziel des Verständnisses für Russland, seine Geschichte, Kultur, Politik und Gesellschaft bei den Jugendlichen zu fördern und ihr Wissen darüber zu vertiefen, erhielten die Teilnehmer:innen eine Einführung über die wichtigsten Entwicklungsschritte der russischen Geschichte bis heute. Ein besonderer Fokus lag durch den nachfolgenden Workshop auf einem dunklen Kapitel der deutsch-russischen Geschichte, der Belagerung von Leningrad. Hierbei lernten die Teilnehmer:innen nicht nur über die politischen Ziele der NS-Regierung, sondern erlebten durch eine Vielzahl von Quellen auch das Leid der Zivilbevölkerung sowie ihre Art der Bewältigung der Situation durch ein Alltagsleben auch im belagerten Leningrad.
An zwei Abenden entführten uns die russischen Teilnehmer:innen nach St. Petersburg. Durch die online-Maßnahme um das Erleben dieser Metropole beraubt, zeigten uns die russischen Teilnehmer:innen nicht nur die touristischen Hotspots, sondern auch Parks, Cafés, alternative Buchhandlungen, Märkte, Theater und vieles mehr (vor allem ihre persönlichen Lieblingsorte) und gaben so wertvolle Einblicke auch in das Alltagsleben der Menschen vor Ort. Mehr über russische Kunst erfuhren die Teilnehmer:innen auf einer virtuellen Museumstour des Russischen Museums, die auch nochmal einen Bezug zur am Vortag gelernten Geschichte sowie verschiedenen kulturellen Aspekten bot. 
Prof. Ponarin bot einen Einblick in die Werte der russischen Gesellschaft und erläuterte anhand verschiedener interkultureller Dimensionen sowie soziologischer Umfragen die Unterschiede in der russischen Kultur und Mentalität im Vergleich zu anderen Kulturräumen.
Am dritten Seminartag standen zwei Spezialthemen auf der Agenda, die sich aus dem Interesse der Teilnehmer:innen im vergangenen Sommer ergaben: Zum einen wurde über die Klimapolitik in Russland und Russlands Rolle im internationalen Schutz des Planeten diskutiert (u.a. anhand vieler Beispiele, die die alltäglichen Probleme der Menschen in Russland in diesem Bereich zeigen), ebenso die Umweltbewegung, die auch in Russland an Zulauf gewinnt (u.a. Fridays for Future), zum anderen wurden über Genderpolitik und Vielfalt/Diversity in Russland diskutiert, wobei hier sehr stark auf die Politik der Regierung zur Schaffung von Gleichberechtigung und der Unterstützung von Frauen eingegangen wurde und weniger auf das Thema Gender an sich, das von der russischen Regierung ignoriert und als westliches Thema verunglimpft wird. Daneben stand an diesem Tag auch eine Diskussion mit Nachwuchspolitikern verschiedenster russischer Parteien und Bewegungen auf dem Programm. Dabei wechselten die fünf Politiker:innen alle 15 Minuten im World-Café-Format die Räume und stellten sich den Fragen und der Diskussion mit kleinen Gruppen an Teilnehmer:innen. Dies ermöglichte den Teilnehmer:innen, die politische Bandbreite an Parteien und Ideologien zu entdecken, gleichzeitig aber auch aufgrund der sehr persönlichen Begegnung (nie kamen mehr als 6 Teilnehmer:innen auf eine:n Politiker:in) die Möglichkeit, in die Tiefe zu diskutieren. Diese Begegnung wurde anschließend sehr positiv bewertet.
Der letzte Seminartag stand dann im Zeichen der aktuellen Entwicklungen und der drohenden Invasion Russlands in die Ukraine. Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet von der Universität Würzburg und Dr. Natalia Zaslavskaya von der Staatlichen Universität St. Petersburg analysierten die russische und die westliche Sicht auf die aktuellen Ereignisse und die dazu führenden Hintergründe und diskutierten mit den Teilnehmer:innen die verschiedenen Meinungen, Perspektiven und vor allem auch die möglichen Eskalations- und Deseskalationsschritte. Diese Diskussion baute auf dem Seminar des letzten Sommers auf, als beide Expertinnen bereits getrennt voneinander mit den Teilnehmer:innen die EU-Russischen Beziehungen diskutierten. Diese Diskussion bot einen schönen Abschluss, war sehr kontrovers und zeigte allen die Notwendigkeit des Dialogs zwischen jungen Menschen und der Zivilgesellschaft als Brücke zwischen verhärteten politischen Fronten.