Acryl, 62 x 140 cm
Berthold Brecht: Die Liebenden
Seht jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon als sie entflogen
Aus einem Leben in ein anderes Leben.
(…)
So mag der Wind sie in das Nichts entführen.
Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
So lange kann sie beide nichts berühren
So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben
Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben
Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

Vier Kraniche dominieren dieses Bild, die Köpfe hoch erhoben, zwei Fische zu ihren Füßen, in gedämpftem dunklem Braun und Blau. Sie stehen eng zusammen; suchen und geben sich in ihrer Gemeinschaft gegenseitig Schutz. Diese außergewöhnlichen Vögel haben die Menschen seit dem Alten Ägypten oder dem Alten China bis in unsere Tage zu zahllosen Darstellungen, Mythen und Geschichten inspiriert. Nicht von ungefähr hat auch Walter Bernstein eine ganze Reihe von Kranich-Bildern gemalt. Er war von 1936 bis 1939 mit der Tänzerin Bertha geb. Bodmer (Künstlername Albertine Comberto) in erster Ehe verheiratet, die mit Berthas Tod abrupt endete. Bernstein verarbeitete mit seinen Kranich-Bildern dieses einschneidende Ereignis. Dabei spielte das Gedicht "Die Liebenden" (1927) von Berthold Brecht für Bernstein eine besondere Rolle, denn Brecht nutzte das Bild fliegender Kraniche als Sinnbild der Liebe.

Walter Bernstein (*1901 in Neunkirchen, †1981 ebenda, beides Deutschland) ist in vielen saarländischen Kirchen und Schulen allgegenwärtig: Er erhielt ab 1962 zahlreiche Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum im gesamten Saarland und bildete das Leben der so genannten einfachen Menschen ab. Sie konnten sich mit seinen Werken identifizieren: die Arbeitswelt des Bergmanns, die von Bergbau und Industrie geprägt war. Bernstein, Gründungsmitglied der Saarländischen Sezession und Mitglied des Neunkircher Künstlerkreises, wird als „‘der‘ Meister des Industriebilds“ und „besessener Maler“ bezeichnet, der „alles bemalte, was er in die Hände bekam“. Weitere Themenschwerpunkte des gläubigen Künstlers waren religiöse Motive und Darstellungen des menschlichen Leidens sowie – wie hier – von Kranichen. Bereits 1963 zeigte Walter Bernstein als vierter Künstler überhaupt seine Werke in der Akademie. Diese organisierte 2017 gemeinsam mit der Stiftung europäische Kultur und Bildung und der Förderstiftung Walter Bernstein posthum eine weitere Bernstein-Ausstellung unter dem Titel „Der Industriemaler – Sein Blick auf Industrie und Mensch“.